Agile Systementwicklung: Ein Widerspruch?

ALEAS Board

Hardware- und Systementwicklung ist für viele eine Domäne aus der „Wasserfall-Welt“ (Stage Gate). Dabei lässt sich auch in diesem Bereich viel mit agilen Ansätzen machen. Viele unserer Kunden setzen mit Hilfe unseres agilen hybriden Frameworks STAGILE® Projekte in der Hardware- und Systementwicklung um, mit hervorragenden Resultaten.

Software-Teams arbeiten bereits zum größten Teil mit Agile (SCRUM), viele Unternehme haben jedoch Probleme dieselben Methoden in der Hardware-Entwicklung anzuwenden. Auch hier funktioniert unser hybrider Ansatz sehr gut, reine SCRUM-Teams lassen sich mit STAGILE® sehr einfach und erfolgreich in die agile Systementwicklung integrieren.

In der Hardware-Entwicklung werden in der Regel längere Zeitspannen benötigt, um den Kunden konkrete Inkremente zu zeigen und in Interaktion gehen zu können, weshalb klassische Sprints/Iterationen (zwei Wochen) oft zu kurz sind, um am Ende konkrete Ergebnisse oder Artefakte liefern zu können. Gleichzeitig herrscht jedoch auch in der Systementwicklung hohe Komplexität und Unsicherheit, die es notwendig macht, permanent im Dialog mit den Stakeholdern und Kunden zu stehen und Projekte laufend weiterzudenken und in Richtung des Gesamtsystems weiterzuentwickeln.

Was früher in Frühphasen anhand von Konzepten, Schaummodellen und Skizzen zumindest angedeutet wurde, wird heute stark durch neue Methoden, Prozesse und Technologien wie Design Thinking, Rapid Prototyping, 3D-Drucker, AI, komplexe Simulationsmöglichkeiten, etc. unterstützt. Anforderungen werden in Funktionen zerlegt, in Hardware-Anforderungen (Requirements) und System-Anforderungen heruntergebrochen und in den direkten Diskurs mit potenziellen Kunden gebracht.

So wird das Warten von mehreren Wochen auf z.B. ein Multilayer PCB, Asic Designs, komplexe mechanisch-optische Systeme, etc. „abgekürzt“ – durch Simulationsergebnisse, FEM, Technische Reviews, Design und Prozessanalysen und flankierende Untersuchungen (z.B. funktionale Sicherheit, …) in der Systementwicklung kontinuierlich weiterentwickelt und weitergetrieben. Damit werden laufend konkrete Artefakte und Zwischenergebnisse geliefert und erreicht, stets mit Augenmerk auf der Zusammenarbeit mit potenziellen Kunden, etwa über RFQs, RFIs, User Stories, EPICS, etc. und in direkter Interaktion, um diese am technologischen Fortschritt aktiv einzubinden.

Durch diese Vorgehensweise kann sichergestellt werden, dass die agile Gesamtsystementwicklung schlussendlich im höchsten Grade nach den Kunden-Bedürfnissen ausgerichtet ist und der Kunde das bekommt, was den größten Nutzen für ihn bedeutet. So wird keine Zeit verschwendet, um Themen zu verfolgen, die keinen Nutzen stiften.

Kontinuierliche Retrospektiven, Team und Customer Empowerment und eine klare Fokussierung auf die wichtigsten Zielsetzungen schaffen ein hohes Commitment. „Brutal Transparency“ ist eine weitere wichtige Zutat für die erfolgreiche agile Systementwicklung.

Agile Systementwicklung ist viel weniger Glaubensfrage, als ein Mindset und eine offene, ehrliche Auseinandersetzung in einem hochdynamischen Umfeld, eine Einstellung und Herangehensweise, komplexen Problemstellungen in der Systementwicklung bestmöglich zu begegnen. Es geht nicht darum, Stage Gate gegen agile Methoden auszusteuern, sondern vielmehr darum, diese ambivalenten Ansätze sinnvoll zu verbinden und damit eine Win-Win-Situation für Kunden und Unternehmen im gemeinsamen Produktentstehungsprozess zu ermöglichen.

Heinz Studer
STAGILE® Coach